Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.
Tucholsky zum Wesen der Satire 1919:
„Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als mit dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten.“
Kapitel 1
Professor Heinrich Ömmel war ein Alt-Achtundsechziger und mittlerweile 68.
Eigentlich kein Alter, aber seit seine Alte ihn betrog, fühlte er sich gealtert. Dabei war seine Ehefrau Jasmin gar nicht mal so alt, sondern erst kurz über vierzig.
Eigentlich schwärmte Professor Ömmel auch für die multikulturelle Gesellschaft und betrachtete die Dönerbuden als eine bemerkenswerte Bereicherung der abendländischen Kultur. Aber seit seine Frau Jasmin mit einem Fremdländer fremdging, war seine Freude an gegenseitiger kultureller Befruchtung etwas getrübt.
Ömmel fühlte sich einsam und verlassen. Er war allein in seiner großzügigen Villa, saß im Sessel und starrte in das Feuer des offenen Kamins. Er blickte in das unruhige Flackern der Flammen und bildete sich ein, in das Spiegelbild seiner Seele zu sehen.
Professor Heinrich Ömmels Villa lag im Nobelviertel der Stadt, oben am Waldrand, dort, wo sich die Vornehmen und die Füchse Gute Nacht sagen.
Das Haus befand sich auf einem großen Grundstück, durch Bäume fast verdeckt. Ein imposantes Gebäude mit einer Doppelgarage am Ende eines Kiesweges, der von der Straße auf das Grundstück führte. Ömmel hatte lange nach einem derartigen Altersruhesitz Ausschau gehalten. Er verachtete die Menschen und wollte sie sich weitgehend vom Leibe halten. Einzig die Nähe seiner Frau Jasmin suchte er, aber diese hielt sich leider ihn vom Leibe.
Heinrich Ömmel sah nicht zum ersten Mal sorgenvoll einem freud-losen Abend entgegen.
Seine Frau Jasmin war vor einer halben Stunde zu ihrem Fitness-Training aufgebrochen, flott und fröhlich pfeifend. Komisch, wenn sie mit ihm zusammen war, war sie stets übellaunig und zänkisch.
Seit einem halben Jahr verabschiedete sich sein Jasminchen dreimal die Woche, pünktlich um 19 Uhr, und kam erst so gegen 23 Uhr wie-der nach Hause, in bester Laune und sehr fröhlich pfeifend.
Ömmel vermutete zu Recht, dass ihre aufgeräumte Stimmung zwar auch mit der körperlichen Ertüchtigung zusammenhing, aber mehr noch mit dem türkischen Studiobetreiber. Es gab deutliche Hinweise dafür, dass Ali Güdücür sie mit seiner sexuellen Leistungsfähigkeit beglücken würde.
Der Hausherr legte einen Holzscheit in den Kamin nach und dachte verbittert: „Dieses Flittchen. Ich habe sie aus dem horizontalen Ge-werbe geholt und nun liegt sie schon wieder flach.“
Er entschloss sich, eine Flasche feinsten Weines aus dem Keller zu holen. Als Trost, zur Aufhellung seiner Laune. Mühsam erhob er sich aus seinem Sessel, die Gelenke machten auch nicht mehr so richtig mit. Er schlurfte durch das Kaminzimmer auf den Flur, öffnete die Tür zum Keller und lauschte treppab missmutig dem Knacken seiner Knie. Langsam hangelte er sich am Geländer die Kellertreppe hinunter.
Ömmel hatte gerade eine Sendung erlesener Rebensäfte aus dem Rheingau erhalten. Er nahm eine Flasche aus dem Regal und las auf dem Etikett: ,2008er Riesling Spätlese Johannisberger Hölle‘.
,Ein Wein aus der Hölle, das wäre für meine häusliche Hölle jetzt genau das richtige‘, murmelte er verdrießlich.
Der Weinhändler hatte ihm eine Weinkarte mitgeschickt, in der mit vollmundigen Worten der jeweilige Tropfen beworben wurde. Öm-mel suchte die Beschreibung seiner Johannisberger Hölle und las frustriert:
„Der ideale Wein, um das Leben in vollen Zügen zu genießen….“
Das traf allerdings nicht unbedingt seine gegenwärtige Gemütsverfassung!
Er legte die Flasche verärgert ins Regal zurück, entschied sich für einen „2008er Kerner Spätlese Geisenheimer Kläuserweg“ und las:
„Etwas für die Seele, den Körper; heilt zu 100 Prozent bei Melancholie, Lustlosigkeit und Knoten in der Seele. Oder einfach: Trost ohne Worte.“
Das war genau der Balsam, den er jetzt brauchte.
Zurück im Kaminzimmer entkorkte Ömmel die Flasche und schenk-te sich ein. Ächzend ließ er sich wieder in seinen Sessel vor den Ka-min fallen, trank ein paar Schluck und wartete auf die wohltuende Wirkung des Geisenheimer Kläuserweges. Vergebens.